Die Zuordnung von Bauteilen einer Wohnanlage, zum Sonder- oder Gemeinschaftseigentum hat erhebliche Auswirkungen auf die Zuständigkeiten und Kostenpflichten. Während Wohnungseigentümer für ihr Sondereigentum selbst verantwortlich sind, obliegt die Verantwortung für das Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft. Das Amtsgericht Bautzen musste klären, wie Abwasserleitungen rechtlich einzuordnen sind (Urteilv. 29.05.2024, Az. 23 C 5/23 WEG).
Im Jahr 2021 kam es wiederholt zu Verstopfungen im Bereich einer Eigentumswohnung. Die Kosten für die Ursachenermittlung und Beseitigung beliefen sich auf 2.804,06 €. Diese wurden dem betroffenen Wohnungseigentümer in der Jahresabrechnung als „individuelle Kosten“zugewiesen. In der Eigentümerversammlung 2022 wurden Nachschüsse und die Anpassung der Vorschüsse entsprechend der Jahresabrechnung beschlossen.
Der Wohnungseigentümer klagte gegen den Beschluss. Er argumentierte, dass die Abwasserleitungen gemäß § 5 Abs. 2 WEG zwingend Gemeinschaftseigentum seien und die Kosten daher nicht ihm allein auferlegt werden dürften.
Das Amtsgericht Bautzen gab dem Kläger recht. Nach § 5 Abs. 2 WEG gehören Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sind, sowie Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienen, zum Gemeinschaftseigentum. Dies gilt selbst dann, wenn sich diese Bauteile im Bereich der Sondereigentumsräume befinden. Abwasserleitungen, die mehrere Einheiten verbinden oder durch die Abwasser ins öffentliche Netz geleitet wird, erfüllen diese Voraussetzungen und sind zwingend Gemeinschaftseigentum.
Die Zuweisung der Kosten als „individuelle Kosten“ an den Wohnungseigentümer widersprach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Verwaltung (§ 19 Abs. 2 WEG). Die Kosten hätten stattdessen nach Miteigentumsanteilen auf alle Eigentümer verteilt werden müssen. Die falsche Kostenverteilung beeinflusste das Abrechnungsergebnis erheblich, da der Nachschuss des klagenden Eigentümers bei einer korrekten Verteilung deutlich geringer ausgefallen wäre. Der Beschluss wurde daher für ungültig erklärt.
Nach der gesetzlichen Regelung in § 5 Abs. 2 WEG können Abwasserleitungen nicht dem Sondereigentum zugeordnet werden, auch nicht durch eine anderslautende Regelung in der Teilungserklärung. Sämtliche Eigentümer tragen daher die Kosten für Verstopfungen oder Reparaturen an Abwasserleitungen gemeinschaftlich, unabhängig davon, ob sich die betroffenen Leitungen im Bereich einer einzelnen Wohnung befinden.
Astrid Schultheis ist eine von vier bundesweit ö.r.v.u.b. Sachverständige für Wohnungseigentumsverwaltung und schreibt Gutachten für Gerichtsverfahren, insb. zum Thema WEG-Abrechnung und Rechnungswesen. Sie ist Mitentwicklerin der WEG-Musterabrechnung 1.0 - 3.0 und ist seit über 30 Jahren Inhaberin einer mittelständischen Verwaltungsgesellschaft.
Bei SCALARA arbeitet sie seit Anbeginn an der Konzeption insb. des Buchhaltungs- und Zahlungsverkehrmoduls mit und unterstützt mit Ihrem einzigartigem fachlichen Know-How.
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