In einer Wohnungseigentümergemeinschaft wurde über die Erneuerung der Fenster diskutiert. Nach einem erstellten Sanierungsplan des Sachverständigen wurden durch die Verwalterin verschiedene Angebote eingeholt. Nachdem nur ein Anbieter übrigblieb, der allerdings keine Kapazitäten mehr für 2022 hatte, beschlossen die Wohnungseigentümer im Juni 2022, die Entscheidung über die Auftragsvergabe an die Verwaltung zu delegieren. Diese sollte in Abstimmung mit dem festgelegten Budget und der Optikvorgabe für die Fensteranlagen erfolgen.
Mit der WEG-Reform 2020 wurde der Entscheidungsspielraum der Wohnungseigentümer erweitert. Gemäß § 27 Abs. 2 WEG können Wohnungseigentümer Entscheidungen über die Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums an den Verwalter delegieren. Sie dürfen durch Beschluss festlegen, welche Aufgaben und Maßnahmen der Verwalter im Innenverhältnis übernehmen soll. Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die der ordnungsgemäßen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums dienen.
In diesem Fall haben die Wohnungseigentümer durch Beschluss entschieden, dass der Verwalter den Austausch der Fenster in Auftrag geben darf. Die grundsätzliche Entscheidung, dass die Fenster ausgetauscht werden sollen, haben die Eigentümer selbst getroffen. Der Verwalter wurde lediglich mit der Ausführung beauftragt, unter Berücksichtigung eines festgelegten Budgets und der Dringlichkeit der Fenstererneuerung.
Die WEG-Reform ermöglicht den Wohnungseigentümern eine flexible Delegation von Aufgaben, insbesondere in Bezug auf Instandhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen. Dies stärkt die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft, da sie nicht alle Entscheidungen in Eigentümerversammlungen treffen müssen, sondern bestimmte Aufgaben an den Verwalter delegieren können. Voraussetzung ist, dass die Delegation im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung erfolgt und die Finanzierung der Maßnahmen gesichert ist.
Ein Beschluss zur Delegation von Aufgaben an den Verwalter muss der ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen. In Bezug auf Erhaltungsmaßnahmen ist dies der Fall, wenn die Eigentümer die grundlegenden Entscheidungen, wie das "Ob" der Maßnahme, selbst treffen und der Verwalter die Ausführung im Detail organisiert. Der Verwalter darf dann über konkrete Aspekte, wie die Auswahl der Handwerker oder die zeitliche Umsetzung, entscheiden.
In diesem Fall haben die Wohnungseigentümer wesentliche Punkte, wie das Budget und den Umfang der Maßnahme, festgelegt und nur die Ausführungsdetails an die Verwaltung delegiert. Die Finanzierung der Maßnahme war durch das festgelegte Budget für das Jahr 2022 gesichert, sodass der Verwalter im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung handelte.
Die Delegation von Aufgaben an den Verwalter hat praktische Vorteile. Sie ermöglicht eine effizientere Verwaltung und reduziert den Aufwand für zusätzliche Eigentümerversammlungen. Dadurch wird der Entscheidungsprozess beschleunigt, ohne dass die Eigentümer ihre Kontrollfunktion über wichtige Maßnahmen verlieren.
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 5. Juli 2024 (V ZR 241/23) bestätigt, dass die Delegation der Auftragsvergabe an den Verwalter im vorliegenden Fall zulässig war. Der Beschluss der Wohnungseigentümer entspricht der ordnungsgemäßen Verwaltung nach § 19 WEG und bewegt sich im Rahmen der den Eigentümern nach § 27 Abs. 2 WEG eingeräumten Beschlusskompetenz.
Astrid Schultheis ist eine von vier bundesweit ö.r.v.u.b. Sachverständige für Wohnungseigentumsverwaltung und schreibt Gutachten für Gerichtsverfahren, insb. zum Thema WEG-Abrechnung und Rechnungswesen. Sie ist Mitentwicklerin der WEG-Musterabrechnung 1.0 - 3.0 und ist seit über 30 Jahren Inhaberin einer mittelständischen Verwaltungsgesellschaft.
Bei SCALARA arbeitet sie seit Anbeginn an der Konzeption insb. des Buchhaltungs- und Zahlungsverkehrmoduls mit und unterstützt mit Ihrem einzigartigem fachlichen Know-How.
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