Die WEG-Rechtsreform von 2020 stellt einen Wendepunkt in der Verwaltung von Wohnungseigentumsgemeinschaften dar. Ein zentraler Aspekt dieser Reform ist die Handhabung der IST-Rücklagen und die Zweckbindung der Geldmittel. Dieses Whitepaper beleuchtet detailliert, wie sich die Reform auf die Praxis der Immobilienverwaltung auswirkt und was Verwalter nun beachten müssen. Insbesondere in Bezug auf die Rücklagen hat sich durch die WEG-Rechtsreform einiges geändert. Besondere Herausforderungen entstehen dadurch, dass die Darstellung der Rücklagen nunmehr nicht in der Jahresabrechnung, sondern in dem neu geschaffenen Vermögensbericht verortet wurde.
Bevor allerdings auf die Neuerungen hinsichtlich der Rücklage eingegangen wird, beleuchtet dieses Whitepaper zunächst die Grundlage, die Zweckbindung der Geldmittel.
Die Zweckbindung der Geldmittel, ein Kernstück des Wohnungseigentumsrechts, stellt sicher, dass die Verwaltung der Finanzen der Eigentümergemeinschaft transparent und zielgerichtet erfolgt sowie vor allem nach dem Willen der Eigentümer.
Grundsätzlich handelt der Verwalter lediglich als Treuhänder für die Eigentümer und nach ihrem, durch Beschlüsse zur Äußerung gebrachten, Willen. Das führt einerseits dazu, dass die Verwendung jeden einzelnen Cents erklärt werden muss und andererseits, dass die Verwendung jeden einzelnen Cents durch Beschluss der Eigentümer vorgegeben ist. Diese sog. „Zweckbindung der Geldmittel“ entsteht durch Beschluss des Wirtschaftsplans und der darin beschlossenen Vorschüsse zur Kostentragung, Erhaltungsrücklagen und weiteren Rücklagen sowie Sonderumlagen.
Die Abbildung dieser „Finanztöpfe“ ist besonders wichtig, um Transparenz darüber zu haben, wo sich welcher Cent befindet und wie dieser verwendet werden darf. Genau diese Transparenz zu schaffen, dazu hat sich SCALARA verpflichtet, indem alle Einnahmen- und Ausgabenkonto konsequent nach den entsprechenden Zwecken aufgeteilt sind.
Relevant ist die Zweckbindung in praktischer Hinsicht, insbesondere in Bezug auf die Erhaltungsrücklage. Gerade diese darf nicht ohne Beschluss zur Finanzierung der Bewirtschaftungskosten herangezogen werden. Die Erhaltungsrücklage darf, wie nun auch durch die gesetzlich festgeschriebene Terminologie erkennbar, v.a. für Erhaltungsmaßnahmen verwendet werden, vgl. grundlegend zum Rückgriff OLG München, NJW 2008, 1679. Eine Verwendung für andere Zwecke, wie bauliche Veränderungen oder zur Abdeckung von Rückständen der Vorschusszahlungen, ist rechtlich ohne Beschluss nicht zulässig.
Das Wohnungsmodernisierungsgesetz (WEMoG), welches im Dezember 2020 in Kraft trat, hat die grundsätzliche Struktur der Zweckbindung nicht verändert, aber die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Verwaltung der Rücklagen präzisiert. Eine Neuerung ist die explizite Trennung der Vorschüsse nach ihrem Zweck. Dies erfordert von Verwaltern, in den Beschlusstexten die Vorschüsse für einzelne Zwecke klar zu definieren. Der Begriff der „Erhaltungsrücklage“ ist neu eingeführt worden und gleichzeitig wurden alle anderen Begriffe wie „Instandhaltung“, „Erneuerung“ oder „Instandsetzung“ obsolet. Nun fällt alles unter „Erhaltung“ zusammen.
Das WEG definiert in § 19 Abs. 2 Nr. 4 die Pflicht zur Bildung einer angemessenen Erhaltungsrücklage. Diese Regelung zielt darauf ab, langfristige finanzielle Stabilität für Instandhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen zu sichern. Die Anforderungen an die Rücklagenhöhe sind jedoch nicht genau definiert und variieren je nach Alter, Zustand und Größe der Immobilie. Aus dieser eindeutigen Normierung im Gesetz ergibt sich, dass sich eine Eigentümergemeinschaft, die keine Erhaltungsrücklage beschließt, strenggenommen nicht ordnungsgemäß verhält.
§ 28 Abs. 1 WEG erlaubt es Wohnungseigentümergemeinschaften zudem, neben der Erhaltungsrücklage auch spezifische Rücklagen für bestimmte Zwecke zu bilden. Diese Flexibilität erfordert jedoch klare und eindeutige Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft, um Transparenz und Rechtssicherheit zu gewährleisten.
Die Soll-Rücklage repräsentiert den Betrag, der gemäß den Beschlüssen der WEG hätte angespart werden sollen, während die Ist-Rücklage den tatsächlich vorhandenen Betrag darstellt. Die Ermittlung dieser Beträge erfordert eine genaue Buchführung und Transparenz seitens der Verwalter. Die Herausforderung liegt in der korrekten Erfassung und Darstellung dieser Zahlen, insbesondere im Hinblick auf unvorhergesehene Ausgaben oder ausstehende Zahlungen, die zu Diskrepanzen zwischen Soll- und Ist-Rücklagen führen können.
Mit der Reform wurden sowohl die Bildung als auch die Verwaltung der Rücklagen klarer definiert. Die IST-Rücklage zeigt den tatsächlich vorhandenen Betrag der Rücklagen und muss klar von der Soll-Rücklage, die den anzusparenden Betrag repräsentiert, unterschieden werden.
Beispiel 1:
Beschluss der GdWEG Vorschüsse zur Erhaltungsrücklage = 20.000,- €, alle Eigentümer haben gezahlt.
Kontostand 1.1. = 0,- €
Kontostand 31.12. = 20.000,- €
Soll-Rücklage = 20.000,- €
Ist-Rücklage = 20.000,- €
Beispiel 2:
Zusätzlicher Beschluss der Eigentümer Entnahme aus Erhaltungsrücklage iHv 5.000,-€ für Erhaltungsmaßnahmen. Kontostand 1.1. = 0,-€
Kontostand 31.12. = 15.000,- €
Soll-Rücklage = 15.000,- €
Ist-Rücklage = 15.000,- €
Beispiel 3:
Zusätzlich zu Beispielen 1 und 2 gibt es einen Überschuss in der Kostentragung von 5.000,- €.
Kontostand 1.1. = 0,-€
Kontostand 31.12. = 20.000,- €
Soll-Rücklage = 15.000,- €
Ist-Rücklage = 15.000,- €
Grund: Die 5.000,- € Überschuss aus der Kostentragung ist eine Verbindlichkeit, die an die Eigentümer durch die Jahresabrechnung ausgekehrt wird. Es sei denn, es ist ein Beschluss gefasst worden, dass der Überschuss in die Erhaltungsrücklage fließt (sehr selten).
Beispiel 4: (Achtung! Haftungsfalle!)
Beschluss der GdWEG Vorschüsse zur Erhaltungsrücklage = 20.000,- €, alle Eigentümer haben gezahlt (wie Beispiel 1). Die Kostentragung ist 0,- €, aber es wird eine Ausgabe iHv 5.000,- € getätigt, die eigentlich der Kostentragung zuzurechnen ist.
Kontostand 1.1. = 0,-€
Kontostand 31.12. = 15.000,- €
Soll-Rücklage = 20.000,- €
Ist-Rücklage = 15.000,- €
Grund: Durch die Entnahme der 5.000,- € aus der Erhaltungsrücklage entsteht eine Forderung der Eigentümer in dieser Höhe.
Achtung: Dieses Vorgehen ist ohne Beschluss der Eigentümer nicht rechtmäßig und kann zu einer Haftungsfalle führen. Für den Stand der Ist-Rücklage ist dieses Vorgehen unerheblich. Allerdings muss die entstandene Forderung der Eigentümer in den Vermögensbericht aufgenommen werden.
Gerade zwischen Beispielen 3 und 4 kann schnell Verwirrung eintreten, da in beiden Fällen die Höhe der Ist-Rücklage gleich ist, aber diese nur in Fall 3 rechtmäßig entstanden ist.
Problematisch ist außerdem, einen Vergleich zwischen Soll- und Ist-Rücklage über mehrere Jahre herzustellen. Die Ansparung der Erhaltungsrücklage erfolgt üblicherweise über mehrere Jahre hinweg, und das Nachhalten von den Forderungen und Verbindlichkeiten, die wie oben dargestellt entstehen, ist in den meisten Softwaresystemen gar nicht machbar. Vor allem, wenn die WEG-Verwaltung schon von einem Vorverwalter übernommen wurde, ist eine Entwicklung der Rücklagen kaum praktisch umsetzbar.
In vielen Fällen wird der neue Verwalter eine Differenz zwischen Soll- und Ist-Rücklage ermitteln. Diese Ermittlung ist besonders wichtig, damit Sie sich als Verwalter nicht angreifbar machen, sondern nachweisen können, wann (und vor allem vor Ihrer Bestellzeit) die Differenz entstanden ist.
Zwar hat die bis zur WEG-Rechtsnovelle von der Rechtsprechung geforderte Darstellung der Entwicklung der Rücklagen nicht Eingang ins Gesetz gefunden.
Dennoch können Sie diese Entwicklung der Rücklage nicht außer Acht lassen, weil die Ist-Rücklage nun in den Vermögensbericht integriert werden muss.
Um auf den richtigen Betrag zu kommen, hilft die Aufstellung eines Finanzstatus.
Hierfür wird die Liquidität den Forderungen und Verbindlichkeiten gegenübergestellt.
Die WEG-Rechtsreform von 2020 hat die Landschaft der Immobilienverwaltung nachhaltig verändert. Insbesondere weil dieselbe Begrifflichkeit für etwas völlig Anderes verwendet wird, wurde z.T auch neue Verwirrung geschaffen. Für Verwalter ist es daher entscheidend, sich mit den neuen Anforderungen vertraut zu machen und die gesetzlichen Vorgaben akkurat umzusetzen. Die Verwendung moderner Tools, insbesondere in der Buchhaltung, die diese rechtliche Komplexität ebenfalls verstanden haben, spielen dabei eine Schlüsselrolle.
Shari Heep ist Juristin mit Fokus auf IT- Recht und Gründerin & CEO von SCALARA. Sie hat schon seit ihrem Abitur in der familiären Hausverwaltung mitgearbeitet und dort vor allem die digitale Transformation vorangetrieben. Durch ihre praktische Erfahrung aus der Immobilien- und Verwaltungsbranche kennt sie die Herausforderungen der Branche sehr genau.
Mit der Gründung von SCALARA hat Shari ihre Leidenschaft für alles Digitale mit ihren Verwalterwurzeln verbunden.