Gemäß § 18 Abs. 4 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) steht jedem Eigentümer das Recht zu, Einsicht in die Verwaltungsunterlagen der Eigentümergemeinschaft zu nehmen. Doch was geschieht, wenn sich diese Unterlagen nicht direkt beim Verwalter, sondern beispielsweise beim Steuerberater befinden? Kann trotzdem Einsicht in diese ausgelagerten Unterlagen verlangt werden?
Diese Frage wurde durch das Landgericht Frankfurt am Main in einem Beschluss vom 13. Januar 2025 (Az.2-13 S 615/23) behandelt. Im betreffenden Fall forderte ein Eigentümer Einsicht in die Original-Verwaltungsunterlagen von 2021, die teilweise beim Steuerberater der Gemeinschaft aufbewahrt wurden. Der Verwalter übersandte dem Eigentümer zunächst nur die im Verwalterbüro verfügbaren Unterlagen in Form von Ausdrucken. Da jedoch nicht alle Dokumente vor Ort waren, blieb der Einsichtswunsch unvollständig erfüllt.
Das Landgericht entschied, dass das Einsichtsrecht des Eigentümers sich auf alle Unterlagen der Gemeinschaft erstreckt, auch auf jene, die beim Steuerberater gelagert sind. Das Gericht stellte klar, dass die Einsichtnahme in die Originalunterlagen erforderlich ist, um die Vollständigkeit und Authentizität der Dokumente zu überprüfen. Diese Verpflichtung umfasst auch die Unterlagen, die extern, wie in diesem Fall beim Steuerberater, aufbewahrt werden.
Das Urteil betont, dass der Steuerberater, der über einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Gemeinschaft verbunden ist, verpflichtet ist, die Unterlagen auf Anforderung herauszugeben. Dieser Prozess stellt für die Eigentümergemeinschaft keinen unzumutbaren Aufwand dar und gewährleistet, dass das Recht auf Einsichtnahme umfassend erfüllt wird.
Fazit: Ihr Recht auf Einsicht in die Verwaltungsunterlagen erstreckt sich auf alle Dokumente Ihrer Eigentümergemeinschaft, unabhängig davon, wo diese gelagert werden. Ihre Gemeinschaft kann Ihnen diesen Zugang nicht verweigern, selbst mit der Begründung, die Unterlagen befänden sich bei einem externen Dienstleister wie einem Steuerberater.
Astrid Schultheis ist eine von vier bundesweit ö.r.v.u.b. Sachverständige für Wohnungseigentumsverwaltung und schreibt Gutachten für Gerichtsverfahren, insb. zum Thema WEG-Abrechnung und Rechnungswesen. Sie ist Mitentwicklerin der WEG-Musterabrechnung 1.0 - 3.0 und ist seit über 30 Jahren Inhaberin einer mittelständischen Verwaltungsgesellschaft.
Bei SCALARA arbeitet sie seit Anbeginn an der Konzeption insb. des Buchhaltungs- und Zahlungsverkehrmoduls mit und unterstützt mit Ihrem einzigartigem fachlichen Know-How.
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