Wenn ein Eigentümer durch eine Kamera erfasst wird, stellt sich die Frage: Kann er selbst dagegen vorgehen, oder ist dies Aufgabe der Eigentümergemeinschaft? Das Landgericht Karlsruhe hat hierzu ein wegweisendes Urteil gefällt (Urteil v. 17.05.2024, Az. 11 S 162/23).
In dem Fall hatte ein Wohnungseigentümer einen digitalen Türspion in die Eingangstür seiner Wohnung eingebaut. Das Gerät verfügte weder über eine dauerhafte Speicherfunktion noch über die Möglichkeit, Signale an andere Geräte zu senden. Allerdings hatte der Eigentümer keinen gemeinschaftlichen Gestattungsbeschluss für die Installation eingeholt.
Ein Miteigentümer fühlte sich dadurch in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und forderte die Entfernung des Geräts. Da der Eigentümer dieser Aufforderung nicht nachkam, erhob der Miteigentümer Klage auf Beseitigung des Türspions.
Das Gericht entschied zugunsten des klagenden Miteigentümers. Es stellte fest, dass er die Klage selbst einreichen durfte, da es nicht um bauliche Veränderungen am Gemeinschaftseigentum ging – was Aufgabe der Eigentümergemeinschaft gewesen wäre (§ 9a Abs. 2 WEG). Vielmehr handelte es sich um die Verletzung persönlicher Rechte des Miteigentümers, wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Die Installation einer Videokamera oder einer Attrappe, die den Eindruck einer Überwachung erweckt, kann Gemeinschaftsflächen betreffende Nachbarn in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzen. Dies gilt insbesondere für die Videoüberwachung von Eingangsbereichen, Treppenhäusern oder anderen Gemeinschaftsflächen. Solche Überwachungen werden als Eingriff in die private Lebensführung gewertet und sind grundsätzlich unzulässig. Der klagende Eigentümer konnte die Entfernung daher gemäß § 1004 Abs. 1 BGB und § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG verlangen.
Wenn ein Miteigentümer durch das Verhalten eines anderen in seinen eigenen Rechten verletzt wird, kann er eigenständig dagegen vorgehen – auch wenn die Verletzung im Bereich des Gemeinschaftseigentums stattfindet. Videoüberwachung oder der Anschein einer solchen auf Gemeinschaftsflächen ist unzulässig, wenn sie Persönlichkeitsrechte anderer Eigentümer beeinträchtigt.
Astrid Schultheis ist eine von vier bundesweit ö.r.v.u.b. Sachverständige für Wohnungseigentumsverwaltung und schreibt Gutachten für Gerichtsverfahren, insb. zum Thema WEG-Abrechnung und Rechnungswesen. Sie ist Mitentwicklerin der WEG-Musterabrechnung 1.0 - 3.0 und ist seit über 30 Jahren Inhaberin einer mittelständischen Verwaltungsgesellschaft.
Bei SCALARA arbeitet sie seit Anbeginn an der Konzeption insb. des Buchhaltungs- und Zahlungsverkehrmoduls mit und unterstützt mit Ihrem einzigartigem fachlichen Know-How.
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