Rechtsprechung

Kann ein „faktisches“ Sondernutzungsrecht ohne Beschluss geschaffen werden?

16.08.24
2 Minuten

Erlaubt eine Eigentümergemeinschaft einem Miteigentümer eine bauliche Veränderung auf eigene Kosten vorzunehmen, darf dieser Miteigentümer die bauliche Veränderung allein nutzen (§ 21 Abs. 1 WEG). Diese alleinige Nutzung entspricht faktisch einem Sondernutzungsrecht, das normalerweise nur durch eine Vereinbarung aller Eigentümer und nicht durch einen gemeinschaftlichen Beschluss geschaffen werden kann. Das Landgericht München musste entscheiden, ob ein faktisches Sondernutzungsrecht durch einen Mehrheitsbeschluss ermöglicht werden kann (Beschluss v. 04.07.2023, Az. 1 S 5214/12 WEG).

In dem entschiedenen Fall gestattete die Eigentümergemeinschaft einem Eigentümer den Einbau und Betrieb eines Plattformlifts als Innenaufzug auf eigene Kosten, unter Ausschluss der Nutzung durch andere Eigentümer. Einige Eigentümer waren damit nicht einverstanden und argumentierten, dass dem Eigentümer durch diesen Beschluss ein Sondernutzungsrecht eingeräumt werde, was eine Vereinbarung aller Sondereigentümer erfordere. Sie erhoben Anfechtungsklage gegen den Beschluss, da sie ihn mangels Beschlusskompetenz für nichtig hielten. Dies gelte auch für Beschlüsse zur baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums nach der gesetzlichen Neuregelung.

Entscheidung: Faktisches Sondernutzungsrecht ist beschließbar

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Landgericht stellte klar, dass das derzeit geltende Wohnungseigentumsgesetz (WEG) eine gesetzliche Beschlusskompetenz zur Gestattung privilegierter baulicher Veränderungen des Gemeinschaftseigentums für einzelne Wohnungseigentümer vorsieht (§ 21 Abs. 2 WEG). Das Gesetz regelt zudem, dass die bauliche Veränderung auf Kosten des betreffenden Eigentümers erfolgt und er das Recht hat, diese Veränderung unter Ausschluss der Mitbenutzung durch andere Miteigentümer zu nutzen.

Die frühere Rechtsprechung zur Nichtigkeit von Beschlüssen zur Begründung von Sondernutzungsrechten ist auf diese neue Beschlusskompetenz nicht anwendbar. Das Entstehen faktischer Sondernutzungsrechte ist eine gesetzlich vorgesehene Folge der neu eingeführten Beschlusskompetenz.

Zusammenfassung:

Die Entscheidung verdeutlicht, dass durch die gesetzliche Neuregelung eine Beschlusskompetenz für die Gestattung privilegierter Baumaßnahmen geschaffen wurde, die auch die Einräumung eines faktischen Sondernutzungsrechts umfasst.

Ein Artikel von
Shari Heep
Geschäftsführende Gründerin & CEO

Shari Heep ist Juristin mit Fokus auf IT- Recht und Gründerin & CEO von SCALARA. Sie hat schon seit ihrem Abitur in der familiären Hausverwaltung mitgearbeitet und dort vor allem die digitale Transformation vorangetrieben. Durch ihre praktische Erfahrung aus der Immobilien- und Verwaltungsbranche kennt sie die Herausforderungen der Branche sehr genau.
Mit der Gründung von SCALARA hat Shari ihre Leidenschaft für alles Digitale mit ihren Verwalterwurzeln verbunden.

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