In einer Eigentümergemeinschaft stellt die Verteilung der gemeinschaftlichen Kosten immer wieder eine Herausforderung dar. Während einige Eigentümer von der bisherigen Regelung profitieren, empfinden andere eine Änderung als gerechter. Die Frage, ob das sogenannte Objektprinzip, bei dem Kosten gleichmäßig auf die Wohneinheiten verteilt werden, gerechter ist als die Verteilung nach Miteigentumsanteilen, führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung. Das Landgericht Karlsruhe hatte in einem aktuellen Fall über die Zulässigkeit eines solchen Wechsels zu entscheiden.
In dem vorliegenden Fall hatte eine Eigentümergemeinschaft beschlossen, bestimmte Kostenpositionen wie die Außenbeleuchtung, die Entfernung eines Baumes und die Fensterreinigung im Treppenhaus zukünftig nach dem Objektprinzip, also pro Wohneinheit, und nicht mehr nach Miteigentumsanteilen zu verteilen. Dies bedeutet, dass jede Wohnung unabhängig von ihrer Größe oder ihrem Wert den gleichen Anteil an den genannten Kosten tragen sollte.
Ein Eigentümer fühlte sich durch diese neue Regelung benachteiligt und reichte eine Anfechtungsklage gegen den Beschluss ein. Er argumentierte, dass diese Art der Kostenverteilung ungerecht sei, da sie nicht die Unterschiede in den Wohnungsgrößen und damit den potenziellen Nutzen aus den Maßnahmen berücksichtige.
Das Landgericht Karlsruhe wies die Klage ab und entschied zugunsten der Eigentümergemeinschaft. Es stellte fest, dass der Beschluss zur Änderung der Kostenverteilung der ordnungsgemäßen Verwaltung entsprach. Nach § 16 Abs. 2 WEG steht es den Wohnungseigentümern frei, den Verteilungsschlüssel durch einen mehrheitlichen Beschluss zu ändern. Die Eigentümer haben dabei einen weiten Gestaltungsspielraum, solange der neue Verteilungsschlüssel sachlich gerechtfertigt ist.
Der vom Gericht bestätigte Verteilungsschlüssel nach dem Objektprinzip wurde als praktikabel und verständlich angesehen. Da jede Wohneinheit den gleichen Betrag zu den gemeinschaftlichen Kosten beiträgt, wird die Regelung als gerecht für Kostenpositionen bewertet, die unabhängig von der Wohnungsgröße anfallen. Das Gericht wies zudem darauf hin, dass keine Verteilungsmethode eine vollständige Gerechtigkeit für jeden einzelnen Fall erreichen könne. Es sei unvermeidlich, dass einzelne Eigentümer durch eine Änderung des Verteilungsschlüssels schlechter gestellt werden.
Die Grenze zur Unzulässigkeit sei erst überschritten, wenn die Änderung ausschließlich dazu diene, die Mehrheit der Eigentümer zum Nachteil einer Minderheit finanziell zu entlasten. Dies sei in diesem Fall jedoch nicht gegeben.
Dieses Urteil verdeutlicht, dass Eigentümergemeinschaften bei der Festlegung und Änderung von Kostenverteilungsschlüsseln einen erheblichen Spielraum haben. Selbst wenn einige Eigentümer durch eine neue Regelung benachteiligt werden, ist dies hinzunehmen, solange die Änderung sachlich gerechtfertigt ist und nicht ausschließlich der Benachteiligung einer Minderheit dient.
Aktenzeichen des Urteils: Az. 11 S 96/22 vom 01.09.2023
Astrid Schultheis ist eine von vier bundesweit ö.r.v.u.b. Sachverständige für Wohnungseigentumsverwaltung und schreibt Gutachten für Gerichtsverfahren, insb. zum Thema WEG-Abrechnung und Rechnungswesen. Sie ist Mitentwicklerin der WEG-Musterabrechnung 1.0 - 3.0 und ist seit über 30 Jahren Inhaberin einer mittelständischen Verwaltungsgesellschaft.
Bei SCALARA arbeitet sie seit Anbeginn an der Konzeption insb. des Buchhaltungs- und Zahlungsverkehrmoduls mit und unterstützt mit Ihrem einzigartigem fachlichen Know-How.
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