Ein Wohnungseigentümer, der eine Anfechtungsklage gewonnen hat, muss sich dennoch an den Prozesskosten der unterlegenen Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) beteiligen. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn in der WEG etwas anderes vereinbart oder beschlossen wurde.
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft mit acht Einheiten hatten drei Wohnungseigentümerinnen im Jahr 2021 erfolgreich einen von den Eigentümern gefassten Beschluss angefochten. Das Amtsgericht erlegte der Gemeinschaft die Prozesskosten auf.
Im April 2022 beschlossen die Eigentümer, diese Kosten durch eine Sonderumlage zu finanzieren. Hierfür sollten je Wohnungseigentumseinheit 800 Euro gezahlt werden, auch von den im Vorprozess erfolgreichen Eigentümerinnen. Die Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 2019 sieht vor, dass die Verwaltungskosten zu gleichen Teilen auf die Wohnungseigentumseinheiten umgelegt werden.
Gegen den Sonderumlagen-Beschluss erhoben die im Vorprozess erfolgreichen Eigentümerinnen Anfechtungsklage. Sie argumentierten, dass es ordnungsgemäßer Verwaltung widerspreche, sie an den Prozesskosten zu beteiligen.
Die Anfechtungsklage hatte keinen Erfolg. Der Beschluss über die Erhebung der Sonderumlage entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung.
Nach dem in der Gemeinschaft geltenden Kostenverteilungsschlüssel sind die Prozesskosten des Vorprozesses auch auf die obsiegenden Anfechtungsklägerinnen umzulegen. Die Gemeinschaftsordnung ist dahingehend auszulegen, dass der dort verwendete Begriff der Verwaltungskosten auf die entsprechende, aktuell geltende gesetzliche Regelung Bezug nimmt. Ob die Kosten des Vorprozesses zu den Verwaltungskosten gehören, ist daher nach dem im Zeitpunkt der Beschlussfassung geltenden § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG zu beurteilen.
Hiernach sind Prozesskosten, die der unterlegenen Gemeinschaft in einem Beschlussklageverfahren auferlegt worden sind, auf alle Miteigentümer einschließlich der obsiegenden Kläger umzulegen.
Seit der WEG-Reform, die zum 1.12.2020 in Kraft getreten ist, sind Beschlussklagen nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer, sondern gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten, wie sich aus § 44 Abs. 2 Satz 1 WEG ergibt. Damit sind auch Kosten, die der Gemeinschaft in einem Beschlussklageverfahren auferlegt worden sind, Verwaltungskosten der Gemeinschaft, an denen sämtliche Wohnungseigentümer unabhängig von ihrer Parteistellung im Prozess zu beteiligen sind.
Eine einschränkende Auslegung des § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG unter Wertungsgesichtspunkten kommt nicht in Betracht. Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber diese Folge im Zuge der WEG-Reform übersehen hat.
Auch die Rechtskraft der Kostenentscheidung des Vorprozesses hat keinen Einfluss auf den anzuwendenden Umlageschlüssel. Ob materiell-rechtliche Erstattungsansprüche der obsiegenden Beschlusskläger gegen die Gemeinschaft denkbar sind, hat der BGH offengelassen, weil derartige Ansprüche im Rahmen der Beschlussfassung über eine Sonderumlage grundsätzlich nicht berücksichtigt werden müssen.
Die Wohnungseigentümer hätten gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG die Möglichkeit gehabt, die Prozesskosten abweichend vom vereinbarten beziehungsweise gesetzlichen Verteilungsschlüssel zu verteilen. Dies hätte aber einen gesonderten Beschluss vor Erhebung der Sonderumlage erfordert. Solange eine Beschlussfassung zur Änderung der Kostenverteilung nicht erfolgt ist, entspricht es ordnungsmäßiger Verwaltung, bei der Beschlussfassung über eine Sonderumlage den geltenden Kostenverteilungsschlüssel anzuwenden.
Selbst wenn den Wohnungseigentümern gar nicht bewusst gewesen sein sollte, dass sie eine andere Kostenverteilung hätten beschließen können, entspricht die Sonderumlage ordnungsgemäßer Verwaltung. Denn die Wohnungseigentümer dürfen sich ohne Weiteres an ihre Vereinbarungen halten und ihre Beschlüsse auf deren Grundlage fassen. Sie sind nicht gehalten, vor jeder Beschlussfassung mögliche Änderungen der geltenden Vereinbarungen in Betracht zu ziehen.
(BGH, Urteil v. 19.7.2024, V ZR 139/23)
Shari Heep ist Juristin mit Fokus auf IT- Recht und Gründerin & CEO von SCALARA. Sie hat schon seit ihrem Abitur in der familiären Hausverwaltung mitgearbeitet und dort vor allem die digitale Transformation vorangetrieben. Durch ihre praktische Erfahrung aus der Immobilien- und Verwaltungsbranche kennt sie die Herausforderungen der Branche sehr genau.
Mit der Gründung von SCALARA hat Shari ihre Leidenschaft für alles Digitale mit ihren Verwalterwurzeln verbunden.